Als
im Jahre 1811 der Turnvater Friedrich Ludwig Jahn in der Berliner Hasenheide
den ersten Sportplatz anlegte, wollte er damit ganzen Volksschichten den
Weg zu besserer Gesundheit bahnen, das Sprachengut pflegen und das Zusammengehörigkeitsgefühl
stärken. Die zündende Maxime schlicht und einfach: „Frisch –
Fromm - Fröhlich – Frei -!“ Es war seine Überzeugung, dass wer
den Körper stählt auch seine Seele pflegt. Seine charismatische
Erscheidung bewirkte eine gewaltige Initial-Zündung.
Der
Sport war schlagartig „In“.
Turnen
sollte die geistig-sittlichen Kräfte stärken, physische Kräfte
mobilisieren. Übungen am Boden, Reck, Barren, Längspferd sollten
ihre Freunde finden. Die Obrigkeit wurde hellwach und erließ 1842
per Gesetz das Turn-Schulpflichtfach.
Bis
allhier, vor dem 17. Jahrhundert, waren Jagden, Reiten, Fechten, Tanzen
– überhaupt körperliche Betätigung dieser Art- nur ein Privileg
des Adels.
Erstaunlich
früh schwappte die „Neue Welle“ auch nach Bad Grund über. Angehörige
der Grube „Hilfe Gottes“ gründeten 1897 den Männerturnverein.
Turnen war nicht nur Mode. Turnplätze in freier Natur mussten her.
Das hieß in die Hände spucken und Hand anlegen. Auf der „Grünen
Tanne“, dem „Eichelberg und Knollen“ erstand Gewünschtes. Und am Wochenende
verbündeten sich hier die Turnaktivitäten mit dem Familien-Picknick
zum fröhlichen Lagerleben.
Für
den Herbst und Winter stellten örtliche Lokalitäten für
die Turner Räumlichkeiten bereit; voran das „Deutsche Haus“, „Kurhaus“
(heutiger „Oberharzer Hof“) und „Schützenhaus“ (das wurde abgerissen
– als an seiner Statt das Kurhaus II gebaut wurde.)
Natürlich
können Turner auch Feste feiern; z.B. „Stiftungsfeste“, das wurden
Sternstunden für die Bergstadt, da kam Kind und Kegel, da „wackelte
die Wand“. Vorgeführt wurde Schauturnen, Kraftsport-Übungen,
Pyramidenbau, Theaterspiel – und dann ging es über zum „Schwofen“:
seliges Wiegen im „3/4-Takt“: da hätte Johann Strauß seine Freude
gehabt!
Doch
auch hier währte der Frieden, die schöne Zeit, nicht ewig: menschliche
Unzulänglichkeiten schafften es – wie allzu oft in der Geschichte
der Völker – zwei bitterböse Weltkriege vom Zaun zu brechen.
Viele Lichter gingen aus....
Nur
gut, dass am Ende derlei Auseinandersetzungen sich sofort wieder frische
Kräfte fanden für Vereins-Neugründungen. Ja 1920, kurz nach
dem 1. Weltkrieg (1914/18) hatte Bad Grund auch seinen Fußballverein,
seine „Viktoria“. Der Spielplatz wurde oberhalb des Kelchtales, im Horstkamp,
eingerichtet. Neues Sonntagsvergnügen der Einwohnerschaft, denn Radio
und Fernsehen standen noch in weiter Ferne. Und die „Rundumparkplätze
für Kinderwagen“ waren gebührenfrei.
Der
Verteidiger, der die strammsten Oberschenkel hatte, und das Leder am höchsten
in die Lüfte donnerte, bekam den meisten Applaus.
1933:
Man beschließt einen Turnhallenneubau im Teufelstal in ehrenamtlicher
Arbeitsweise.Väter und Söhne wetteifern für gute Buchung
im „Stunden-Logbuch“ Schaufeln, Hacken und Schiebekarren liefen sich fast
heiß. 1935 wurde das Bauwerk als „August-Sievert-Halle“ eingeweiht.
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Nach
dem 2. Weltkrieg (1939/45) lebte der Sport im Ort auch wieder schnell auf.
Um 1950 das Männerturnen.
Im
Teufelstal konnte für Ballspiele die „Glück-Auf-Kampfbahn“ eingeweiht
werden. Sensation: Es spielte Peine 48 gegen Schalke 04. (Unvorhergesehener
Nebenschauplatz: die unterhalb der B 242 befindliche Steilhangwiese. Ein
Fahrer eines großen Reisebusses steuerte auf der oberen Schurfberg-Straßengabelung
falsch, rutschte rückwärts ins Tal- Insassen sprangen heraus
– kippend legte er sich an einen Lichtmast. Als man anderen Tags den Bus
schon bis zur Höhe gezogen hatte, riß das Seil und der Fahrer
musste die Prozedur nochmals durchstehen; verletzt wurde niemand.)
Ein
Sportereignis der besonderen Art – bei uns im Ort- war der Besuch des Turn-Olympiasiegers
Alfred Schwarzmann, Goslar, mit seiner starken Leistungsriege. Schauturnen
par exellence. Dennoch mein fachungemäßes Urteil: Die hiesige
Männerriege stand mit den Goslarern in Augenhöhe. Beachtlich
der kameradschaftliche Umgang miteinander.---
Anstelle
der „August-Sievert-Halle“, die den modernen Anforderungen schließlich
nicht mehr genügte, baute man eine neue Turnhalle, die 1968 eingeweiht
wurde. An der Spitze des Männerturnvereins standen hervorragende Männder
wie der Grubensteiger Bernhard Klingebiel, Herr Peter Lüthje, Dipl.-Ing.
Kämmerer (Hilfe Gottes). Letzterer ließ ab 1978 das Volkswandern
in der Bergstadt lebendig werden. Es wurde von Tausenden begeisterter Teilnehmer
angenommen, denn die Streckenführung und Betreuung war erstklassig;
der wunderschönen wertvollen Medaillen wegen, die eine Sonderprägung
mit Bergbau-Motiven zierte. Dafür lief man gern 20 Kilometer!
Sparte
Handball: Gleich nach dem 2. Weltkrieg spielte im Horstkamp eine Feldhandball-Mannschaft
allererster Sahne: Bad Grundner und auch ehemalige Oberliga-Spieler, die
als Flüchtlinge hier gelandet. Wer gegen diese Elf spielte, musste
sich warm anziehen. Motor des Vereins – besonders nach 1968 – war der Mitbegründer
Fahrsteiger Ferdinand Thomas. (Der Laute – aber goldrichtige!). Excellente
Damen- und Schülermannschaften folgten Ferdis Fährte.
Eine
Damen-Gymnastikgruppe, Damen- Seniorengruppe, Herren-Freizeitgruppe, Altherrenabteilung
machten von sich reden.
Im
Jahre 1982 übernahm der ehemalige Reviersteiger Claus Messerschmidt
den Großverein, dem gar nichts Besseres passieren konnte; er ist
personifizierte Innovation, weiß Althergebrachtes zu schätzen
und achtet jedermann. Der Bericht kann freilich nur ein kleines Fensterchen
öffnen in die Räume ihrer Erfolge. Man arbeitet und feiert, hält
durch vielerlei Aktivitäten seine Lebens-Balance, verliert nicht den
Blick zur Sonne – und ist dem schönsten Gelingen im Leben ganz nahe:
Es zu meistern und zu lieben!
Willi
Wagener
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1 Viktoria 1920 Bad Grund bereit zum Match gegen SV Werder Bremen; Herbst
1970
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2 Die Werderaner sind bereit.
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3 Die Damenriege des MTV Bad Grund im Festzug 35 Jahre Bergwerkssiedlung
Taubenborn, Juni 1988
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4 Volkswandern ist „In“, September 1988, Gruppe zwischen Albertturm und
der Spinne.
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