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Sagen
vom Zwergenkönig Hübich
C.
G. Fr. Brederlow, Braunschweig (1. Auflage 1846)
HARZ
- Zur Belehrung und Unterhaltung für Harzreisende:
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Die verzauberten
Tannenzapfen
Vor
langen Jahren wohnte in Grund ein Bergmann, der hatte von seinem Urgroßvater
einen Tannenzapfen geerbt von lauter Silber; das Prachtstück hatten
die Vorfahren einst vom Zwergkönige Hübich auf folgende Weise
bekommen: einst war nämlich der erste Empfänger, ein armer Bergmann,
sehr krank und konnte nun keine Nahrung verdienen für seine Frau und
die sieben Kinder. Darüber härmte sich die Frau bei Tag und Nacht;
weinend ging sie einst in den Wald, um wenigstens einige Tannenzapfen zu
suchen. Da gesellte sich zu ihr ein Männlein und fragte mit zutraulicher
Stimme, warum sie so bitter weine; das Männlein mit dem langen Barte
tröstete die arme Frau und führte sie unter den Hübichenstein,
wo gar viele und große Tannzapfen lagen. Der Korb der Frau war bald
bis oben hin gefüllt und durch den freundlichen Zuspruch des teilnahmsvollen
Zwerges getröstet ging die Frau wohlgemut nach Hause.
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Aber
je näher sie ihrer Hütte kam, desto schwerer wurde ihr der Korb,
und als sie den Korb daheim ausschüttete, da fielen lauter silberne
Tannenzapfen heraus. Voll Schreck lief die Frau zum kranken Manne und fragte
mit ängstlichem Zweifel, ob das mit rechten Dingen zugehe. Der Mann
aber meinte, dass man so schöne Gaben wohl behalten dürfe und
dass das Geschenk gewiß vom mitleidigen Hübich komme, der armen
Leuten gern helfe.
Als
nun am andern Morgen die glückliche Frau wieder hinaus eilte in den
Tann, um sich beim Zwergkönige zu bedanken, da saß auch wirklich
wieder das Männlein am Wege und hatte ein feines Kraut zwischen den
Fingern und sprach: "nimm, gutes Weib, koche davon deinem Manne ein Süpplein,
so wird er genesen". Die Frau konnte vor Tränen nicht reden und als
sie sprechen wollte, war das Männlein verschwunden. Der Bergmann wurde
gesund und reich; den einen Tannzapfen haben die Leute behalten und von
Kind auf Kind vererbt, bis derselbe im 30jährigen Kriege verloren
ging.
Hübich
und der Förstersohn
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Auf
dem Försterhofe wohnte zu gleicher Zeit ein Förster, der hatte
einen einzigen Sohn, der war sehr gut, aber auch sehr lustig und vorwitzig,
wenn es etwas zu wagen gab. Der ging eines Tages mit seinen Kameraden zum
Hübichsteine und da galt‘s eine Wette, wer den zackigen Fels ersteigen
könne. Der Förstersohn war flugs dabei und wie eine Geis klomm
er zum äußersten Grad hinauf. Aber kaum stand er festen Fußes
oben, so kam ein fürchterliches Ungewitter und ein grässlicher
Sturm sauste um den Fels, also dass die Bäume im Tale zerbrachen und
die Berge bebten. Der Jüngling wollte sich platt niederlegen und stracks
hinabklimmen, aber die Füße waren ihm wahrhaftig in den Felsen
gewachsen, waren Stein wie der Fels und eins mit dem Hübichenstein,
so dass er nicht vor- und nicht rückwärts konnte und wie ein
schwankendes Rohr vom Sturme hin und her gepeitscht und geschleudert wurde
und aus allen Adern blutete. |
Die
anderen Burschen unten im Tale sahen das Unglück ihres Kameraden,
liefen zurück nach Grund und berichteten das Wunder; auch der alte
Vater hörte davon. Alles lief hinaus und bejammerte den Unglücklichen,
der händeringend um Hilfe rief und kläglich hat, man möge
ihn totschießen, denn er sterbe sonst hier oben eines tausendfachen
Todes. Dem greisen Förster ging’s durch das Herz, er raufte sich das
Haar aus, warf sich auf die Erde, kniete, betete, so dass die Leute den
verzweifelnden Vater endlich gewaltsam vom Orte des Jammer nach Hause führten.
Aber in seiner Wohnung hatte der unglückliche Mann noch weniger Ruhe;
draußen stürmt’s und heult’s, als ob’s am jüngsten Tage
wäre. Da sprang der Förster plötzlich auf, griff nach seinem
besten Geschosse und sprach: "du erweisest deinem Kinde die größte
Wohltat".
 –
Fort stürzte der Alte in den brausenden Wald; da hörte auf einmal
der Sturm auf und klarer Mondschein leuchtete in den dunkeln Forst hinein.
Der Alte eilte fort zum Hübichenstein, weinte, fluchte, betete und
bemerkte nicht, dass neben ihm ein Männlein trabte; "Glück auf!"
sprach der Kleine, "so spät noch in das Holz? Warum weinet ihr und
ist euer Herz so voll Angst?" – Da erzählte der Förster sein
Wehe, wie der Satan seinen Sohn verführt habe, auf den Hübichenstein
zu steigen, wie das arme Kind droben nun fest gewachsen eines jämmerlichen
Todes sterben müsse und wie er nun seinem Kinde den schrecklichen
Liebesdienst erweisen, es vom qualvollsten Tode erlösen und totschießen
wolle. – Jetzt stand der Vater am verhängnisvollen Steine; - oben
der jammernde Sohn erkannte den verzweifelnden Vater im Tale; -" Vater,
schieß", - bat das unglückliche Kind, - und der Vater legte
an auf das Herz seines Sohnes!
–
Aber da sprangen auf einmal tausend kleine Männlein aus allen Spalten
und Klüften, die zwickten und zwackten den Förster so lange,
bis er sein Geschoß von sich warf und aus dem Forst lief. Sobald
er fort war, da wurde es auf einmal lebendig und laut am Hübichenstein;
allenthalben aus dem zackigen Gestein und Drusenlöchern marschierten
heraus viel tausend kleine Männlein, ein jegliches einen eisernen
Fäustel auf der Schulter und ein messingenes Grubenlicht in der Hand,
voran einer, ganz alt, mit eisgrauem Barte und silbernem Lichte, dass wie
die helle Sonne schien, und auf dem Haupte eine goldene Krone; das war
der Zwergkönig Hübich.
Die
ganze Schar der Zwerge kletterte zum Hübichstein hinaus und oben sprach
der Gnomenfürst zum Förstersohne: "Wie durftest du wagen, auf
meinen Stein zu steigen! eigentlich solltest du hier umkommen; aber dein
Vater dauert mich, sei erlöset". Darauf band ihn der Gnom los, und
trug den todesmatten Jüngling säuberlich bis zum Fuße des
Hübichensteins. Unten fasste ihn der Hübich bei der Hand und
führte den Erretteten in sein Schloß, damit er sich erquicke.
Da blitzten die Wände von edlen Stufen, die Decke war ein Stück
Schwerspat, weiß wie Schnee, von der Decke hing ein Kronleuchter
von Kristall und Edelstein; mitten in der Stube stand ein Tisch von Glas
und daran ein Stuhl von Silber; alsbald schlug der Hübich mit einem
silbernen Fäustel an den Tisch und zahllose Diener kamen und reichten
liebliche Früchte auf güldenen Schalen und funkelnden Wein in
silbernen Bechern. Endlich führte der Gnomenfürst seinen Gast
zu einer großen Braupfanne aus Amethyst, die war schier gefüllt
mit blanken Wildemannsgulden.
Drauf
sprach Hübich: "ich bin den Menschen nicht feindlich, aber man muß
mich in Ruhe lassen; willst du mir einen Gefallen tun, so soll’s dein Schaden
nicht sein; die Leute aus Grund schießen immer nach Falken, die oben
auf meinem Steine sitzen; das kann ich nicht leiden, denn trifft’s den
Stein, so bröckelt immer etwas ab und wenn der Hübichenstein
kleiner und kleiner wird, so verliere ich endlich meine Krone; versprich
mir, dass solches niemand mehr tue". Freudig sagte der Jägerbursch
sein ehrliches "Ja", füllte seine Kappe mit blankem Gelde und kehrte
eiligst zu seinem glücklichen Vater. |
Heinrich
Pröhle: HARZSAGEN - Nach der 2. überarbeiteten Auflage von 1886
 In
einer Mühle speisten die Zwerge jede Nacht und der Müller mußte
deshalb jeden Abend mit seiner Familie ausziehen. Eines abends kam ein
alter Soldat und bat den Müller, ihm in seiner Mühle für
die Nacht ein Quartier zu vergönnen. Der Müller erklärte
ihm die Sache, wie es zusammenhing, und sagte: wenn er sich vor den Zwergen
nicht fürchten wollte, so könnte er da bleiben. »Ach,«
sagte der Alte, »ein alter Soldat darf sich nicht fürchten,«
stopfte sich eine Pfeife und setzte sich hinter den Ofen, während
der Müller mit seiner Familie wieder auszog.
Wie
es die Nacht an zwölf Uhr kam, erschien eine ganze Hetze Zwerge. Sie
deckten den Tisch und setzten goldenes und silbernes Geschirr darauf, worin
sogleich von selbst Speise war. Wie dies geschehen war, kamen sechs Zwerge,
hatten Hibich auf eine mit Gold und Silber ausgestickte Bahre gelegt, und
setzten ihn auf der Mitte der Tafel auf einen hohen Sessel. Kaum hatte
er aber fünf Minuten gesessen, da schrie er: hier riechts nach Tabak,
und die kleinen Zwergmännchen schnüffelten den Soldaten auf,
sprangen mit goldenen Gabeln und Messern auf ihn zu und wollten ihn ermorden.
Dies Ding verstand aber der Soldat unrecht, nahm seinen Stock und hieb
die ganzen Zwerge in die Flucht, ihren Hibich hatten sie aber sitzen lassen,
und der verschwand von selbst. Da strich der alte Soldat das Gold- und
Silbergeschirr ein, legte es auf die kostbare Bahre und zog damit zu Markte,
verkaufte das überflüssige Geschirr und die Bahre und lösete
daraus so viel, daß er frei und frank leben konnte, hatte aber doch
etwas von dem seltenen Geschirre behalten, und es war in demselben, sobald
er es sich nur wünschte, die kostbarste Speise. Am anderen Abende
saß er wieder in der Mühle und der Müller war auch dageblieben.
Wie
es nun an zwölf kam, klopfte etwas dreimal an das Fenster und fragte:
Müller, hast du deine böse Katze noch? Da schrie der alte Soldat
selber: »Ja, sie jungt alle Nächte zwölfe.« Da riefen
die Zwerge betrübt: »Dann mag dir der Teufel wieder kommen,«
und sind seit der Zeit nicht wieder kommen. Der alte Soldat lebet aber
bei dem Müller herrlich und in Freuden, und lebet alle Tage einen
Tag von seiner Wunschspeise. |
König
Hübich und der Bergmann
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Der
Zwergenkönig Hübich regierte einst am Fuße des Felsens
über ein Heer an Elfen und Gnomen und ward all jenen freundlich gelegen,
die Hilfe benötigten. Wer es jedoch wagte, sein Reich zu betreten,
den verbannte er auf die 40 m steil aufragende Felsklippe.
So
begab es sich eines Tages, daß ein Bergmann in den Gruben nach Erzen
schürfte. Der Hübich hatte ihn schon lange im Blick und fand
Gefallen an dem jungen Burschen, der bis über beide Ohren in seine
Arbeit verliebt war. Ihm gefiel es, die kostbarsten Edelmetalle ans Tageslicht
zu bringen und im Schein seiner Grubenlampe nach seltsam funkelnenden Gesteinen
zu suchen.
Wie
er so schürfte und mit seiner Hake nach den Erzen schlug, da vernahm
er ein Klopfen und Pochen.
Er
hielt inne und lauschte, doch nichts passierte. Wieder vernahm er ein Klopfen
und Rufen und er dachte, daß sich der Hübich mal wieder einen
Spaß mit ihm erlaube. Doch im gleichen Augenblick begann der Berg
zu zittern und zu dröhnen, Steine prasselten hernieder und alles um
ihn herum stürzte ein.
Der
junge Bergmann war in seiner eigenen kleinen Welt gefangen. "Wie schön
wäre es jetzt, wenn ich durch den Wald gehen könnte, von den
Sonnenstrahlen gewärmt werden würde oder einfach nur den Mädchen
hinterher sehen könnte" - dachte er und schon begann er bitterlich
zu weinen.
Plötzlich
legte ihm der Hübich seine Hand auf die Schulter. "Wir haben dich
gewarnt, doch du wolltest nicht hören. Nun bist du gefangen, die anderen
sind alle ums Leben gekommen.
Willst
Du in unserem Reich bleiben? Traurig schüttelte der Bergmann den Kopf.
"Ich brauche die Sonne und das Licht, ich bin ein Mensch und kein Zwerg
wie du. Lass mich wieder hinauf, du bist mächtig und vermagst das
wohl."
"Nun
gut, dann folge mir, aber sieh nicht zurück!" Gesagt - getan, voran
ging es, immer hinauf, vorbei an düsteren Gängen, Gold- und Silberadern
und so manch Kostbarkeit. Als er schließlich die Sonne erblickte,
wußte er, das er sich richtig entschieden hatte.
Der
Bergmann bedankte sich freundlich und Hübich verschwand wieder im
Inneren des Berges. Doch was war das. Die Welt schien so anders. Tapfer
schritt er hinab ins Dorf. Ein paar Kinder spielten auf der Straße
und als sie ihn sahen, nahmen sie schreiend Reißaus. Der Bergmann
schüttelte verwundert den Kopf und ging zu seinem Häuschen, doch
oh Schreck, hier wohnten Leute, die er niemals zuvor gesehen hatte. Er
schritt zum Brunnen und als er sein Spiegelbild betrachtete, begann er
fürchterlich zu weinen. Seine Kleider waren zerrissen und er war um
Jahre gealtert. Niemand kannte er mehr. Die Leute lauschten gebannt seiner
Geschichte und nur die Alten unter ihnen konnten sich erinnern, daß
einst ein Unglück in dem Berge geschah und seit jener Zeit niemand
mehr in Grund nach Erzen gesucht hatte. Der Erzschacht ist bis heute verschlossen
und die Menschen träumen noch immer von den Schätzen, die er
in seinem Innern verborgen hält. Unser Bergmann jedoch lebte glücklich
bis ans Ende seiner Tage. (Quelle)
Der
König Hübich Brunnen auf dem Kirchplatz im Herzen der Bergstadt
Bad Grund
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