Waldarbeiterwohnung
in der Elisabethstrasse. Es ist Montagfrüh 4.00 Uhr. In den Räumlichkeiten
steht der schöne Geruch von Harz Borke und Feuerstellenrauch an. Anna
weckt ihren Ernst. Man trinkt gemeinsam Kaffee. Beide verstauen im Rucksack
Verpflegung, die für den Mann bis zur Heimkehr am Sonnabend ausreichen
muss: Kartoffeln, Brot, zwei Büchsen Wurst, 1 Pfund Rindertalg, Kaffeemehl,
Pfeife und Tabak. Noch ein Gang ins Kinderzimmer, streicheln der kleinen
Engel, Anlegen der Wetterkluft, Schultern des Rucksacks und der frischgeschärften
Säge und Axt, ein Drücken und Kuss der Anna, kühle Dunkelheit
nimmt ihn auf. Am Aufgang zum Eichelberg vernimmt man vier mal: „Moing“
Ernst, Wilhelm, Albert und Richard - treten ihren vertrauten Marsch an.
Erste Vögel geben Laut. Aus diffusem Licht nehmen drunten im Ort Häuserzeilen
Konturen an. Oben auf der Höhe, für sie nichts Neues, wartet
wie ein Standbild auf sie der Forstmeister. Schmuck steht ihm die Waidmannskleidung,
fesch der Hut: Ein Modell für Maler oder Fotographen. Die Büchse,
ein Drilling, ist geschultert. Zu seinen Füßen kauert der Jagdhund,
schweißlesevertraut.
Sie
alle kennen sich gut. Es gab viel Verbindendes. Oft frühstückten
sie auf dem Stamm frisch geschlagener Baumriesen in trauter Runde; sorgten
sich um rechte Standorte für ihren Waldbau; ergänzten sich während
der Treibjagd - und meisterten im Schulterschluß - mit der Polizei-
brenzliche Situationen im Atemhauch der Wilddiebe.
Weiter
ging der Drei-Stundenmarsch gen Köhlerrevier. Der Einschnitt des Eichelbachtales
grüßte herauf; wie Spielzeugidylle muteten die Dörfchen
des Harzvorlandes an. Schöne Panoramen. Im Höhenniveau nahm ein
schmaler Pirschsteig die Gruppe auf. Ein kleiner Bachlauf wurde überschritten.
Taunass das Gras. An einem Hochsitz und einer Wildfütterung vorbei
erreichten sie eine Waldwiese - nahe ihrem Ziel. Inzwischen war die Sonne
über die Kammlinie gestiegen, Licht flutete vom unerschöpften
Lichte. Plötzlich standen alle für einen Moment still, indem
sie ein mächtiges Rudel Rotwild gen Dickung ziehen ließen.
Rauch
von kohlenden Meilern, wiehern der holzrückenden Köhlerpferde
offerierte der Gruppe: Etappenziel erreicht!-
Freundliche-herzliche
Begrüßung zwischen dem Köhlermeister, seinen beiden Gesellen
und Haijungen - mit den frisch Eingetroffenen. Der Kohlplatz, auf dem drei
Meiler erstellt waren, lag oberhalb eines bachdurchflossenen Tales. Unter
Einsicht der Arbeitsstellen stand aller Wohn- und Schlafköte; aus
Stangenholz, pyramidenmäßig, mit seiner schützenden Borkenumhüllung,
gesicherten Rauchabzug in der Spitze und überdachten Eingangsschirm.
Innen hatte ein jeder seine Aufhängung für Kleidung und Rucksack.
Auf dem Bankstück darunter seine Schlafstelle. - Die Feuerstelle inmitten
des Raumes war stets beschickt. Am darüberstehenden Dreibock kochte
im großen Kessel das Wasser. Eine Einladung für Kaffee- oder
Suppenzubereitung. Stärkung tut not. |
Der
Forstmeister wies dem Köhlermeister neues Holz an. Der schwarze Mann,
der sich sein Fachwissen quasi als Autodidakt in jahrelanger Arbeit als
Geselle auf dem Hai angeeignet hatte, galt etwas. Er ähnelte einem
Privatunternehmer, er löhnte seine Gesellen und Haijungen, hatte die
Aufsicht während der auch gefährlichen Arbeit am „glühenden,
qualmenden Ungeheuer“, er trug die Verantwortung, dass durch Fahrlässigkeit
kein Waldbrand entstand - das Strafmaß sah furchtbar aus.
Die
Waldarbeiter hatten ihren Wirkungsbereich erreicht. Sägen sangen,
Hackspäne flogen, dumpfer Bodenaufschlag eines gefällten Giganten:
Sinfonie ihrer Welt.
Der
Aufbau eines Meilers geschieht um einen Mittelpunkt, dem Quandelschacht.
Buchen- oder Fichtenscheite werden bis zu drei Etagen ringförmig geschichtet.
Sein Durchmesser kann bis zu 10 m erreichen. Hier geschieht auch das Anheizen.
Doch zuvor wird der ganze zum Verkohlen angerichtete Stoß mit möglichst
klebriger Erde und Rasenstück luftdicht abgeschottet. Hier waren am
Ort und Stelle der Meiler I und II fertig und konnten danach Kohlzeit überlassen
werden, am anderen Ende die Entfernung des Abdichtungspotentials und das
Löschen des Stapels standen.-
Und
dann gab es ja noch etwas ganz Wichtiges an dieser Stelle. Ein zwischen
zwei Randfichten in Augenhöhe aufgehängtes Ahornbrett, die Maße
etwa 25 mal 200 cm, und ein Holzhammer: Man nannte es „die Hillebille“.
Kräftig angeschlagen, schallte ihr Klang - fast ein wenig melodisch-
weit durch den Wald. Jedes Signal hatte seine Bedeutung. Am liebsten war
ihr Ruf zur Mahlzeit oder zum Feierabend; eben für Sonnenstunden in
ihrem Dasein. Sie waren mit sich und der Welt zufrieden - eine andere kannten
sie nicht- brauchten sie nicht. Was sie auch immer taten oder unternehmen,
stets bestimmte ein Ziel ihren Weg.
Feierabend
in der Forst. In verschwenderischer, rötlich-goldener Fülle,
tauchte der Sonnenball am Horizont unter; die freundliche Stille, die himmlische
Ruh zog ein. Der Gesang der Waldvögel verstummte. Es wurde etwas kühl.
Doch dagegen konnte man etwas tun; das Holzfeuer in der Köte wieder
anfachen - und das geschah. Deftige Hausmannskost wurde „eingefahren“.
Dann streckten sie sich auf dem harten Lager aus. Gefühle tendierten
ein wenig sentimental und lebten in ihren leis gesungenen Liedern: „Im
schönsten Wiesengrunde steht meiner Heimat Haus“- „Sah ein Knab ein
Röslein stehn“ - „Das Böhmerwaldlied“. Schließlich waren
sie auch Sangesbrüder. Dann wurde es still. Das ruhige Gewissen ward
zum Ruhekissen. Und die Szene der Engelwache aus Engebert Humperdincks
Oper „Hänsel und Gretel“ könnte auch hier spielen. Ist dem so?
Ich glaube der Engel des guten Schlafes wird bei diesen Braven gewacht
haben und ihnen vielleicht zu manch schonen Traum verholfen haben. Er kann
das!
Zu
den Fotos:
-
Wenn Windesfächeln. Qualmschleier beiseite schiebt, Köhlerhütte
und Meiler Gäste grüßt - Faszination von einst zählt
heute noch: Denn hier wird aus Holz Kohle gekocht!
-
Hier lebte man, hatte in seiner Welt auch Spaß - die einstigen Grundner
Waldarbeiter bestätigen das.
-
Man kennt sie teils noch, die von Daaks, Hillegeist, Brandt, Apel, Fleischmann,
Vollbrecht, Stein, Just, Stümer:
Gern
erinnert man sich ihrer!
-
Meine Meiler- und Kötensuche schlug im August 1987 hier bei Braunlage
zu Buche.
Willi
Wagener
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Harzer
Köten, magische Orte -
Laden ein
zur Rast und zur Ruh -
-
sie sind Landschaftsperlen, beliebte Fotomotive, besitzen ihren eigenen
Charme und ihre romantische Ausstrahlung - zumal in Naturbelassenheit und
im Stimmungswald. Auch hier trifft zu was aus dem großen Hause Benz
verlautet: „Das Leben ist voller Möglichkeiten. Und oft sind es die
kleinen Dinge, die das Leben wieder Lebenswert machen!“ Zum Beispiel: Rucksack-Einkehr,
Brotzeit in Waldeslust, ein Schwätzchen unter Wanderkameraden.
Unsere
erstellten Köten auf der „Prinzess-Ilse“ - „Auf dem Schweinebraten“
- „Keller“ - der „Kayser-Eiche“ sowie die Pavillons und Schutzhütten
passten ins Bild. Aber auch der Rat vom Heidedichter Hermann Löns
stimmt, der besagt: „Laß deine Augen offen, geschlossen deinen Mund,
und wandere still, so werden dir geheime Dinge kund!“
Ähnlich
dachte wohl auch am Sonntag, 30.5.1976, die „Freie Evangelische Kirchengemeinde:
Gemeinde Gottes -aus Braunschweig-Querum. |
Sie
mietete die Taternplatz-Hütte“. Schon zeitig erreichte ein Fahrzeugkonvoi
den Parkplatz. Rund 80 Personen aller Altersklassen -bis zum Baby in der
Tragetasche. Man fühlte sich „zu Hause“, der Ort gefiel; Kinder spielten
zwischen Baumstümpfen und Jungkultur - die „Mittelklasse“ machte sich
an das Grillen, Rentner genossen das Treiben und die Fernsicht. Kotteletts
und Würstchen schmeckten, Salate und Getränke ebenfalls.
Eine
Damenriege kämpfte im Tauziehen gegen die der Herren. Ich durfte dann
eine lange Schlange Wanderlustiger gen Schweinebraten führen. Oben
auf dem Spitzigen Berg, Sitzeck mit Teufelstalblick, vollzog aus lauter
Begeisterung der Gemeindepastor einen exellenten Handstand auf einer Banklehne.
Fröhlichsein hatte weder Ziele noch Ende. Man zog auch gegen Mittag
nicht weiter wie ursprünglich vorgehabt - hier trank man Kaffee- blieb
den Tag. Grüne Landschaft und Pastorale ergänzten sich herrlich.
Eindrucksvoll die Abschluss-Waldandacht: der Reichtum der Psalmendichtung
in Wort und Ton stieg auf über die Grundner Täler himmelwarts.
Will
Wagener |
Fotobeschreibung
-
Kayser-Eichen-Köten-Idylle
-
Taternplatz-Hütte mit einer Braunschweiger Kirchengemeinde. Hier wurde
gegrillt und gelacht, Spaß gemacht; beim Nachmittags-Kaffee füllten
sich die Tassen; ........ und konnten ihr Glück nicht fassen. (Klicken
zur Vergrößerung)
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*)
Hillebille: So kannten die Menschen im frühen Mittelalter die
Hillebille, ein aus Buchenholz gefertigtes Brett, das an einem Lederriemen
aufgehängt wurde und das man mit einem Klöppel zum Klingen brachte.
Die Hillebille diente in erster Linie zur Kommunikation über weite
Strecken, wurde aber wohl auch als Rhythmusinstrument eingesetzt. Noch
bis ins 20. Jahrhundert konnte man die Hillebille bei den Köhlern
in den abgelegenen Gegenden des Harzes hören.
Sie
ist ein einfaches Gerät , dessen sich in vergangenen Zeiten die Köhler
des Harzes, Thüringer Waldes und wohl auch anderer Gegenden bedienten,
um durch verabredete Signale Nachrichten auf ziemliche Entfernung zukommen
zu lassen: an Stricken oder Riemen freischwebend von einer Querstange herabhing
und durch Dagegenschlagen in bestimmten Rhythmus zum Tönen oder Hallen
gebracht wurde. Der Klang dieses Werkzeuges soll zur Verständigung
auf 3 Kilometer und wohl weiter ausgereicht haben. Die Hillebille ist im
Harz fast bis zur Gegenwart in Gebrach gewesen.
Auf
einer häufigen Benutzung und große Bekanntheit des Gerätes
im Harz deutet jedenfalls der Umstand, daß eine Höhe, die sich
von Lautenberg nach Braunlage zu hinzieht, den Namen "Hillebille" trägt.
Auch im oberen Odertal in Brandenburg kann man einen Hillebille-Felsen
finden.
Im
ersten Jahrgang des "Wartburg-Heroldes" (1896) sind auf Anregung von Professor
Dr. A. Kirchhoff in Halle verschiedene Mitteilungen und Nachweise über
Etymologie, Alter und Vorkommen der Hillebille gemacht worden, und der
damalige russische Geistliche in Weimar, Probst Rumjäntzoff machte
darauf aufmerksam, daß in der orientalischen Kirche vor Einführung
der Glocken ganz ähnliche hölzerne oder gußeiserne Tafeln
benutzt worden seien, um die Gläubigen zur Andacht und zu sonstigen
Versammlungen zu rufen, oder auch um einfach die Tageszeiten anzugeben. |
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