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Bad Grund in Anekdoten, Berichten & Gedichten von Willi WagenerSeite 1 |2 | 3 | 4 | 5| 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | 11 | 12 | 13| 14 | 15 | 16 | 17 |
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Ein Streifzug durch Geschichte und Geschichten
Ein Streifzug durch Geschichte und Geschichten
Leben ist auch Kampf und der ist am stärksten im Brennpunkt der Gegensätze. Nur gut zu wissen, dass das Schicksal menschliche Komponenten in Petto hält. Hier soll auch die Rede sein von einem Bad Grundner Schmiedemeister, der einst an exponierter Stelle an einem Projekt mitwirkte, welches Legende wurde – und von seinem originellem Heiratsantrag. – Was sie damals bauten, lenkte ein Kapitän einsatzmäßig so fair, dass Gegner ihn mit Gentleman anredeten; er zum Ehrenbürger der Stadt San Francisco avancierte und mit großen Bundesverdienstkreuz im Jahre 1953 ausgezeichnet wurde. - Immer wieder klingt auch das hohe Lied des Handwerkers durch – die von ihm ausgelöste Schubkraft – Garanten des guten Klangs von „made in Germany“.
Unser Harz, das nördlichste deutsche Mittelgebirge mit einer Ausdehnung von 90 km/Längsachse und 40 km/iQuerachse, war schon vor über 1000 Jahren ein Siedlungs-Anziehungspunkt. Könige und Kaiser näherten sich ihm und machten ihn zur Kernlandschaft des Deutschen Reiches. Bei Goslar rief Kaiser Otto I. im Jahre 968 den Rammelsbergbau ins Lebens, Heinrich II. baute die erste Kaiserpfalz. Ein Ring von über 500 Pfalzen, Burgen und Jagdhöfen sicherte das Gebiet. Bergbau mit seinen silberhaltigen Erzen stützte Kaisermacht. Die Wege dafür legten Forst- und Klosteranlagen frei.
Handwerker und Kaufleute folgten. Handwerklicher Fleiß und Können sorgte für die Befriedung angestrebten Lebensinhaltes –auch durch Anfertigung feinen Schmuckes. Im Mittelalter zierten Patrizierhäuser die Straßenzeilen neuer Städte, reckten sich Dome majestätisch gen Himmel. Stilrichtungen lösten sich ab. Doch auch und gerade im beginnenden Industriezeitalter, der Serienproduktion, wäre nichts gelaufen ohne qualifizierte Handwerksmeister; sie waren die Stützen schiebender Kräfte.
Der Einstieg in das handwerkliche Berufsleben erforderte einst Opfer von der Familie. Die Eltern des Auszubildenden hatten im Schnitt 2 Reichsmark Beihilfe an den Lehrherrn zu entrichten (Auch noch nach dem 1. Weltkrieg 1914/18; und der Bergmanns-Wochenlohn lag bei 20 Reichsmark.).
Es wehte ein rauer Wind in den Kleinbetrieben. Lehrjahre waren eben keine Herrenjahre. Und „Backpfeifen“ waren kostenlos. - Die Schmieden fertigten gar Kunstgeländer an; zogen Eisenmäntel auf Wagenräder, verstanden Hufbeschlag oder waren als Nagelschmiede spezialisiert. „Geht nicht – gibst nicht!“ galt.
Eine Lehrzeit konnte erst nach 4 Lehrjahren per Gesellenprüfung abgeschlossen werden. Dann hieß es: „ab in die Fremde zwecks Ableistung der 3-4-jährigen Wanderschaft: Berufskenntnis-Erweiterung: (Oft klappte eine Einheirat!) Eine Vorschrift der Zünfte aus dem 15. Jahrhundert.
Wir hatten in Bad Grund einen typischen Vertreter dieser Zunft, den Schmiedermeister Albert Pfannenschmidt: Ein Allroundmann.
Ein Meister ohne Furcht und Tadel, was er anfasst, das gelang. Schmieden – seine Leidenschaft, da strahlten seine Augen. Dennoch war er nur äußerlich „schmiedehart“; er hatte das Herz auf dem rechten Fleck. Ich mochte ihn sehr. Als er um die 70 Jahre alt war, vereinte uns ein Plauderstünchen. Auch er konnte sau chaut vertellen (so gut erzählen). Er : „Es war imJahre 1916, inmitten des 1. Weltkrieges, Wettrüsten bei Freund und Feind, als ich in einer großen, deutschen Schiffswerft, dienstverpflichtet schaffte: vergattert zur Geheimhaltung, denn es ging darum, aus einem Segelschiff einen kanonenbestückten Hilfskreuzer für die kaiserliche Marine herzustellen. Der sollte dann auf allen 7 Meeren Kaperfahrten durchführen. Wir installierten irritierende Aufbauten und ein starkes Antriebssystem.“ Albert war in seinem Element: detailgenauer Arbeitsbericht. Dann weiter: „Unser Schiff lieferte einen exakten Probelauf ab; wurde auf den Namen „Seeadler“ getauft und dem Kommandore „Felix Graf von Luckner“ übergeben. Es wurde eine Legende un dging in die Analen der Seekriegsführung ein; der Kapitänleutnant unter der Bezeichnung: „Edler Ritter zur See! Luckner gelang prompt der erste Coup.
Als norwegischer Holzfrachter getarnt wird die englische Blockade durchbrochen; Dampfer versenkt. Aber: an Bord gilt die ritterliche Behandlung der Gefangenen; schnelle Entlassung an geeigneten Stellen. Kaperfahrten werden zu einer schier unglaublichen Odyssee, mit Insel-Robinsonaden, Internierung, Flucht im Boot des Lagerkommandanten usw.
Graf Luckner gelingt es seine Einsätze so zu steuern, dass nirgends auch nur ein Tropfen Blut fließt.
Suchkommandos nennen ihn respektvoll: „Gentleman-Pirat“ und „Seedevil of the Seven Seas“.
Alle Eigenerlebnisse schildert er selbst in seinem Buch „Der Seeteufel“ und erreicht damit in Deutschland und in den USA Millionenauflagen. 1927 startet Luckner zu einer „Good will Mission“ in den USA und er wird Ehrenbürger der Stadt San Francisco. Im Jahre 1945 gegen Ende des II. Weltkrieges verhandelt er mit den Amerikanern, verhindert die Zerstörung der Stadt Halle und wird zum Ehrenoberst der 104. US-Division „Timberwölfe“ ernannt, er erhält 1953 das große Bundesverdienstkreuz.
Nach dem I. Weltkrieg kehrt Albert Pfannenschmidt heim. Der väterliche Betrieb braucht einen neuen Meister. Eine Pension läuft nebenher, im Schnitt 20 Kurgäste. Hinzu kommen das Meisterehepaar, Gesellen, Lehrlinge, Zimmermädchen, Kochmamsell. Arbeit im Acker, Wald und Wiesen stehen an - Kühe im Stall. Albert: „Bei uns wehte ein frischer Wind, doch wir verstanden uns als Team.“ Jedoch auf die dralle, hübsche, fleißige Kochmamsell hatte er ein Auge geworfen: da würde er gern vorankommen. Eines Abends schlich er dem Hessenmadle nach, die die Stallordnung versah und fragte klopfenden Herzens: „Mamsell – kannste uk melken?“ „Sei konne! Un wai!“ (Sie konnte melken – und wie!) “Da hewwe eck se gefragt: Willst du meine Frau werden?” (Da habe ich sie gefragt: Willst du meine Frau werden?) „Sei wolle! Ehn Kuß! Basta!“ (Sie nahm an! Ein Kuß! Abgemacht!) Alberts Ehefrau hatte längst am Tisch Platz genommen, lächelte so herzlich, fasste Alberts Hände und bestätigte: „Genau so war es!“ -
Ein Streifzug durch Geschichte und Geschichten
Es ist wunderschön, in dem Alter solch glücklich-zufriedene Gesichter und Menschen zu erleben; den Beweis, dass das Leben glücken kann!
Das Leben lief weiter, 1945 der Zweite Weltkrieg dem Ende entgegen. Deutschland verlor ihn. Vom „Dritten Reich“ blieb ein Scherbenhaufen, aufgeteilt in vier Besatzungszonen. Die dem Staat zukommenden Befugnisse gingen an Militärstäbe der Siegermächte über. Parteien auf friedlich- demokratischer Grundlage –als ordnendes Element – wagten erste Gehversuche. Es wurde entnazifiziert; nachts: Ausgangssperre; die schmale Lebensmittel-Rationierung beibehalten; die Geschäfte gähnten in Leere.
Angehörige wurden beklagt oder auf ihre Heimkehr gehofft. Ausgebombte und Heimatvertriebene mussten bei Wohnungsmangel integriert werden. Es lebten Tauschgeschäfte, der Schwarzmarkt blühte. Hunger trieb Bürger nachts in die Feldmark Essbares zu stoppeln. Die noch geltende Reichsmark-Währung hatte keinen Wert. Mir war es nicht möglich, eine Baby-Flasche zu erstehen.Ein Beispiel für schizophrene Verhältnisse: Ich verdiente pro Monat auf dem Medingschacht rund 100 Reichsmark netto; Schwarzmarkt-Gegenwert ½ Pfund Butter; für die dort gelieferte Flasche Schnaps pro Monat bekam man bis zu 350 Reichsmark –ö und dafür konnte meine Familie zweimal zum Besuch der Schwiegereltern nah Bayern fahren. – Improvisationskunst, Handwerksleistung und Kameradschaft lebte. Da kamen die Aluminium-Kochtöpfe vom Werk Tanne, fertigten Handwerker an ihren Drehbänken aus Kirschbaumholz Obstschalen und Kerzenständer, Schlosser stellten gar Präzisions-Balkenwaagen her. -
Ein neues Kapitel der veränderten Zeitgeschichte schrieb die von den Siegermächten am 20. Juni 1948 durchgeführte Währungsreform: sie war zuvor streng geheim gehalten, traf schlagartig und präzise. Die Reichsmarkguthaben wurden im Verhältnis 10: 1 umgestellt. Jetzt galt die Deutsche Mark, Der Bürger erhielt am Start = 40 DM Kopfgeld. Plötzlich waren die Läden voll, aber die Portemonnaie leer.
Mein erster „Monats-Überschuß“ betrug 8,50 DM. Also ab nach Osterode,, per Fahrrad zum Einkauf. Der ergab: 1 Rasierspiegel, 1 kleine Keramikschale (lebt noch) und für meine Frau einen Unterrock (meine Frau hatte Kleidergröße 36, mein Unterrock Größe 48 – die Lachnummer steht noch!)
Gute Wirtschaftslenkung, ein praktizierter Arbeits-Einsatzwille ohnegleichen, Fuß fest auf dem „Gaspedal“, ließ buchstäblich aus Ruinen ein Wirtschaftswunderland aufblühen. Das Leben hatte wieder einen Sinn. Jeder ging gern in seinen Betrieb. Die Hotels unterhielten Tanzkapellen, es wurde „geschwoft“ bis in den Morgen; die Pastoren waren mit dem Kirchen-Besucherstrom zufrieden. Ich meine, selbst die Glocken hatten im Aufbruch einen schöneren Klang.

Willi Wagener

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