Leben
ist auch Kampf und der ist am stärksten im Brennpunkt der Gegensätze.
Nur gut zu wissen, dass das Schicksal menschliche Komponenten in Petto
hält. Hier soll auch die Rede sein von einem Bad Grundner Schmiedemeister,
der einst an exponierter Stelle an einem Projekt mitwirkte, welches Legende
wurde – und von seinem originellem Heiratsantrag. – Was sie damals bauten,
lenkte ein Kapitän einsatzmäßig so fair, dass Gegner ihn
mit Gentleman anredeten; er zum Ehrenbürger der Stadt San Francisco
avancierte und mit großen Bundesverdienstkreuz im Jahre 1953 ausgezeichnet
wurde. - Immer wieder klingt auch das hohe Lied des Handwerkers durch –
die von ihm ausgelöste Schubkraft – Garanten des guten Klangs von
„made in Germany“.
Unser
Harz, das nördlichste deutsche Mittelgebirge mit einer Ausdehnung
von 90 km/Längsachse und 40 km/iQuerachse, war schon vor über
1000 Jahren ein Siedlungs-Anziehungspunkt. Könige und Kaiser näherten
sich ihm und machten ihn zur Kernlandschaft des Deutschen Reiches. Bei
Goslar rief Kaiser Otto I. im Jahre 968 den Rammelsbergbau ins Lebens,
Heinrich II. baute die erste Kaiserpfalz. Ein Ring von über 500 Pfalzen,
Burgen und Jagdhöfen sicherte das Gebiet. Bergbau mit seinen silberhaltigen
Erzen stützte Kaisermacht. Die Wege dafür legten Forst- und Klosteranlagen
frei.
Handwerker
und Kaufleute folgten. Handwerklicher Fleiß und Können sorgte
für die Befriedung angestrebten Lebensinhaltes –auch durch Anfertigung
feinen Schmuckes. Im Mittelalter zierten Patrizierhäuser die Straßenzeilen
neuer Städte, reckten sich Dome majestätisch gen Himmel. Stilrichtungen
lösten sich ab. Doch auch und gerade im beginnenden Industriezeitalter,
der Serienproduktion, wäre nichts gelaufen ohne qualifizierte Handwerksmeister;
sie waren die Stützen schiebender Kräfte.
Der
Einstieg in das handwerkliche Berufsleben erforderte einst Opfer von der
Familie. Die Eltern des Auszubildenden hatten im Schnitt 2 Reichsmark Beihilfe
an den Lehrherrn zu entrichten (Auch noch nach dem 1. Weltkrieg 1914/18;
und der Bergmanns-Wochenlohn lag bei 20 Reichsmark.).
Es
wehte ein rauer Wind in den Kleinbetrieben. Lehrjahre waren eben keine
Herrenjahre. Und „Backpfeifen“ waren kostenlos. - Die Schmieden fertigten
gar Kunstgeländer an; zogen Eisenmäntel auf Wagenräder,
verstanden Hufbeschlag oder waren als Nagelschmiede spezialisiert. „Geht
nicht – gibst nicht!“ galt.
Eine
Lehrzeit konnte erst nach 4 Lehrjahren per Gesellenprüfung abgeschlossen
werden. Dann hieß es: „ab in die Fremde zwecks Ableistung der 3-4-jährigen
Wanderschaft: Berufskenntnis-Erweiterung: (Oft klappte eine Einheirat!)
Eine Vorschrift der Zünfte aus dem 15. Jahrhundert.
Wir
hatten in Bad Grund einen typischen Vertreter dieser Zunft, den Schmiedermeister
Albert Pfannenschmidt: Ein Allroundmann.
Ein
Meister ohne Furcht und Tadel, was er anfasst, das gelang. Schmieden –
seine Leidenschaft, da strahlten seine Augen. Dennoch war er nur äußerlich
„schmiedehart“; er hatte das Herz auf dem rechten Fleck. Ich mochte ihn
sehr. Als er um die 70 Jahre alt war, vereinte uns ein Plauderstünchen.
Auch er konnte sau chaut vertellen (so gut erzählen). Er : „Es war
imJahre 1916, inmitten des 1. Weltkrieges, Wettrüsten bei Freund und
Feind, als ich in einer großen, deutschen Schiffswerft, dienstverpflichtet
schaffte: vergattert zur Geheimhaltung, denn es ging darum, aus einem Segelschiff
einen kanonenbestückten Hilfskreuzer für die kaiserliche Marine
herzustellen. Der sollte dann auf allen 7 Meeren Kaperfahrten durchführen.
Wir installierten irritierende Aufbauten und ein starkes Antriebssystem.“
Albert war in seinem Element: detailgenauer Arbeitsbericht. Dann weiter:
„Unser Schiff lieferte einen exakten Probelauf ab; wurde auf den Namen
„Seeadler“ getauft und dem Kommandore „Felix Graf von Luckner“ übergeben.
Es wurde eine Legende un dging in die Analen der Seekriegsführung
ein; der Kapitänleutnant unter der Bezeichnung: „Edler Ritter zur
See! Luckner gelang prompt der erste Coup.
Als
norwegischer Holzfrachter getarnt wird die englische Blockade durchbrochen;
Dampfer versenkt. Aber: an Bord gilt die ritterliche Behandlung der Gefangenen;
schnelle Entlassung an geeigneten Stellen. Kaperfahrten werden zu einer
schier unglaublichen Odyssee, mit Insel-Robinsonaden, Internierung, Flucht
im Boot des Lagerkommandanten usw.
Graf
Luckner gelingt es seine Einsätze so zu steuern, dass nirgends auch
nur ein Tropfen Blut fließt. |
Suchkommandos
nennen ihn respektvoll: „Gentleman-Pirat“ und „Seedevil of the Seven Seas“.
Alle
Eigenerlebnisse schildert er selbst in seinem Buch „Der Seeteufel“ und
erreicht damit in Deutschland und in den USA Millionenauflagen. 1927 startet
Luckner zu einer „Good will Mission“ in den USA und er wird Ehrenbürger
der Stadt San Francisco. Im Jahre 1945 gegen Ende des II. Weltkrieges verhandelt
er mit den Amerikanern, verhindert die Zerstörung der Stadt Halle
und wird zum Ehrenoberst der 104. US-Division „Timberwölfe“ ernannt,
er erhält 1953 das große Bundesverdienstkreuz.
Nach
dem I. Weltkrieg kehrt Albert Pfannenschmidt heim. Der väterliche
Betrieb braucht einen neuen Meister. Eine Pension läuft nebenher,
im Schnitt 20 Kurgäste. Hinzu kommen das Meisterehepaar, Gesellen,
Lehrlinge, Zimmermädchen, Kochmamsell. Arbeit im Acker, Wald und Wiesen
stehen an - Kühe im Stall. Albert: „Bei uns wehte ein frischer Wind,
doch wir verstanden uns als Team.“ Jedoch auf die dralle, hübsche,
fleißige Kochmamsell hatte er ein Auge geworfen: da würde er
gern vorankommen. Eines Abends schlich er dem Hessenmadle nach, die die
Stallordnung versah und fragte klopfenden Herzens: „Mamsell – kannste uk
melken?“ „Sei konne! Un wai!“ (Sie konnte melken – und wie!) “Da hewwe
eck se gefragt: Willst du meine Frau werden?” (Da habe ich sie gefragt:
Willst du meine Frau werden?) „Sei wolle! Ehn Kuß! Basta!“ (Sie nahm
an! Ein Kuß! Abgemacht!) Alberts Ehefrau hatte längst am Tisch
Platz genommen, lächelte so herzlich, fasste Alberts Hände und
bestätigte: „Genau so war es!“ -
Es
ist wunderschön, in dem Alter solch glücklich-zufriedene Gesichter
und Menschen zu erleben; den Beweis, dass das Leben glücken kann!
Das
Leben lief weiter, 1945 der Zweite Weltkrieg dem Ende entgegen. Deutschland
verlor ihn. Vom „Dritten Reich“ blieb ein Scherbenhaufen, aufgeteilt in
vier Besatzungszonen. Die dem Staat zukommenden Befugnisse gingen an Militärstäbe
der Siegermächte über. Parteien auf friedlich- demokratischer
Grundlage –als ordnendes Element – wagten erste Gehversuche. Es wurde entnazifiziert;
nachts: Ausgangssperre; die schmale Lebensmittel-Rationierung beibehalten;
die Geschäfte gähnten in Leere.
Angehörige
wurden beklagt oder auf ihre Heimkehr gehofft. Ausgebombte und Heimatvertriebene
mussten bei Wohnungsmangel integriert werden. Es lebten Tauschgeschäfte,
der Schwarzmarkt blühte. Hunger trieb Bürger nachts in die Feldmark
Essbares zu stoppeln. Die noch geltende Reichsmark-Währung hatte keinen
Wert. Mir war es nicht möglich, eine Baby-Flasche zu erstehen.Ein
Beispiel für schizophrene Verhältnisse: Ich verdiente pro Monat
auf dem Medingschacht rund 100 Reichsmark netto; Schwarzmarkt-Gegenwert
½ Pfund Butter; für die dort gelieferte Flasche Schnaps pro
Monat bekam man bis zu 350 Reichsmark –ö und dafür konnte meine
Familie zweimal zum Besuch der Schwiegereltern nah Bayern fahren. – Improvisationskunst,
Handwerksleistung und Kameradschaft lebte. Da kamen die Aluminium-Kochtöpfe
vom Werk Tanne, fertigten Handwerker an ihren Drehbänken aus Kirschbaumholz
Obstschalen und Kerzenständer, Schlosser stellten gar Präzisions-Balkenwaagen
her. -
Ein
neues Kapitel der veränderten Zeitgeschichte schrieb die von den Siegermächten
am 20. Juni 1948 durchgeführte Währungsreform: sie war zuvor
streng geheim gehalten, traf schlagartig und präzise. Die Reichsmarkguthaben
wurden im Verhältnis 10: 1 umgestellt. Jetzt galt die Deutsche Mark,
Der Bürger erhielt am Start = 40 DM Kopfgeld. Plötzlich waren
die Läden voll, aber die Portemonnaie leer.
Mein
erster „Monats-Überschuß“ betrug 8,50 DM. Also ab nach Osterode,,
per Fahrrad zum Einkauf. Der ergab: 1 Rasierspiegel, 1 kleine Keramikschale
(lebt noch) und für meine Frau einen Unterrock (meine Frau hatte Kleidergröße
36, mein Unterrock Größe 48 – die Lachnummer steht noch!)
Gute
Wirtschaftslenkung, ein praktizierter Arbeits-Einsatzwille ohnegleichen,
Fuß fest auf dem „Gaspedal“, ließ buchstäblich aus Ruinen
ein Wirtschaftswunderland aufblühen. Das Leben hatte wieder einen
Sinn. Jeder ging gern in seinen Betrieb. Die Hotels unterhielten Tanzkapellen,
es wurde „geschwoft“ bis in den Morgen; die Pastoren waren mit dem Kirchen-Besucherstrom
zufrieden. Ich meine, selbst die Glocken hatten im Aufbruch einen schöneren
Klang.
Willi
Wagener |